Hella Krause-Zimmer hat eine einmalige Art, die geistigen Inhalte eines Bildes transparent zu machen. Ein sicherer Blick für das Wesentliche und die Suche nach dem Wahrhaftigen zeichnen ihre Beiträge aus. Im vorliegenden Band finden sich erstmals alle ihre Bildbetrachtungen zu den christlichen Jahresfesten gesammelt, die sie im Lauf vieler Jahre in Zeitschriften publiziert hat.
Die den Festen zugrunde liegenden Ereignisse sind in ihrer geistigen und religiösen Substanz unerschöpflich, und wenn es auch scheint, dass die fromme Zeit, die sie einstmals einführte und wirklich feierte, hinter uns liegt, so liegt doch vor uns die Aufgabe einer neuen geistigen Annäherung, die über den Weg gesteigerter Erkenntnisbemühung zu neuen intensiven Erfahrungen führen kann. (Hella Krause-Zimmer)
Kann der Auferstandene einen Schatten werfen? Fragen wie dieser, anlässlich eines Gemäldes von Rembrandt gestellt, sieht sich der Leser von Hella Krause-Zimmers Bildbetrachtungen unerwartet gegenüber: Fragen nach dem Dargestellten und seiner Wahrhaftigkeit, nach der Gemäßheit des künstlerischen Stils, dem Bewusstseinsstandort des Malers in seiner Zeit und – wie im genannten Fall – nach dem Wesen des Christentums. Ihre Betrachtungen umfassen einen Zeitraum vom 1. Jahrtausend bis zum 20. Jahrhundert, sie gelten byzantinischen Mosaiken, Darstellungen der Buchmalerei, Fresken und Reliefs der Romanik und Gotik ebenso wie den großen Malern von der Frühen Neuzeit bis zur Moderne, wie Grünewald, Dürer, Schongauer Altdorfer, Fra Angelico, Giotto, Leonardo, Raffael, El Greco, Tizian, Rembrandt und anderen bis hin zu Margarita Woloschin und Ninetta Sombart. Und es sind nicht wenige rare Fundstücke dabei. Hella Krause-Zimmer ist unermüdlich auf der Suche gewesen nach Bildern, die in ihrem Abweichen von der üblichen Ikonographie eine neue Annäherung an die den Festen zugrunde liegenden Ereignisse herausfordern. Jeder ihrer Aufsätze lädt zu einer Entdeckungsreise und Übung im genauen, forschenden Hinschauen und Erkennen ein.
Wesentliche Stationen auf dem Weg der Malerei vom ausgehenden Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert leuchten in den Aufsätzen Hella Krause-Zimmers auf – prägnant beschrieben und geistig in Bewegung gesetzt. Dieser Band, der die Sammlung ihrer Aufsätze zur Malerei vervollständigt, führt schwerpunktmäßig den individuellen Künstler und sein Bild vom seiner selbst bewusst gewordenen Menschen vor Augen.
Mit Ausgang des Mittelalters gewinnt bei den Malern ein wacher, aufmerksamer, aber mehr äußerlicher Blick die Oberhand. Um dieses Phänomen wie überhaupt um Bilder, in denen Schritte der Bewusstseinsentwicklung seit dem Mittelalter offenbar werden, geht es Hella Krause-Zimmer im zweiten Teil ihrer gesammelten Kunstbetrachtungen vorwiegend. Der erkennende, sich selbst als Ich erlebende Mensch wird hier zum Thema, verbunden mit der Suche nach einer neuen Spiritualität. Und so ist kennzeichnend für viele dieser Betrachtungen, dass sie entweder die Form der Gegenüberstellung annehmen, zwei Bilder zweier Maler (verschiedener Strömungen, verschiedener Zeitalter) vergleichend, oder aber sich in die individuelle Bildsuche einer Künstlerpersönlichkeit vertiefen.
Als einen Höhepunkt kann man Hella Krause-Zimmers Annäherung an Bilderrätsel erleben, vor denen der normale Betrachter staunend, aber eher ratlos steht: wie vor Giorgiones Judith, Cranachs Melancholie oder Lorenzo Lottos Bildnis eines Mannes. Die Aufsätze spannen einen Bogen zwischen vereinzelten Entdeckungen in der Kunst des Mittelalters über Renaissance (Leonardo, Michelangelo, Raffael, Masaccio, Giorgione), altdeutsche Malerei (Altdorfer, Dürer, Cranach), Rembrandt, van Gogh bis hin zu Munch und Macke, Margarita Woloschin und Ninetta Sombart.